Die Laus





Mir hat mal ein sehr lieber Mensch gesagt, dass wir depressiven Menschen einen guten Tag viel intensiver erleben wie „normale“ Menschen es tun. Und da muss ich zustimmen.
Immerhin sind unsere guten Tage viel seltener und wenn man dann mal einen erwischt, ist man sich diesem sehr wohl bewusst und freut sich über sein Glück, dass die kleine Laus, welche alle Gefühle in einem steuert, so bester Laune ist.
In einer meiner Therapien wurde ich mal gefragt, ob ich denn eigentlich wüsste, warum ich mich so fühlte, wie ich mich fühlte. Ich hatte den Mund schon geöffnet und wollte antworten bis mir einfiel, dass ich die Antwort nicht kannte.
Meine Therapeutin erklärte mir folgendes:
Es gibt verschiedene Abteilungen im Gehirn und jede dieser Abteilungen hat eine Aufgabe, die wichtig für unseren Körper ist. So hat zum Beispiel eine der Abteilungen die Aufgabe, deinen Mund zum Kauen zu bringen, wenn du etwas isst, oder eine andere vermittelt deinen Füßen, dass sie sich in Bewegung setzten sollen. Dann gibt es eine, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist, welche bei mir, so sagte meine Therapeutin, nicht richtig funktioniert.
Für mich klang das alles doch ziemlich hohl und ich konnte mir nicht vorstellen, dass wegen diesem einzigen „Abteil“ in meinem Kopf diese bleierne Müdigkeit, die eiserne Lustlosigkeit und das allgemeine „nichts fühlen“ ausgelöst wurden. Dann kam mir ein Gedanke, den ich so tatsächlich ganz lustig fand.
„Vielleicht hab ich eine Laus.“
Auf einen ratlosen Blick meiner Therapeutin hin erklärte ich:
„Vielleicht hab ich mir eine Laus eingefangen, die in meinem Kopf sitzt und sich einen Scherz daraus macht, die falschen Knöpfe zu drücken.“
Und seither hab ich ne´ Laus. Ich weiß, dass sie nicht echt ist und sie hat ja nicht mal einen richtigen Namen (wie wärs mit Ralf?), aber diese Denkweise hilft mir, mich -> meinen Körper besser zu verstehen.
Wenn ich also eines Morgen aufwache und wieder diese rücksichtslose Lustlosigkeit in den Knochen spüre, weiß ich, diese verdammte (pardon) Laus hat wieder ihre Strippen gezogen. Und dann mache ich das Beste draus.
Manchmal gelingt es mir, die Laus auszutricksen und trotz der gezogenen Strippen einen tollen Tag zu haben, manchmal aber ist die Laus stärker und das ist dann auch okay.
Wir führen eine Hassliebe, diese Laus und ich, aber ganz tief in mir weiß ich, diese Laus ist seit diesem/en Ereigniss/en da und sie ist ebenso verletzt, wie ich es bin…

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